Jule Brand, vor der WM sagten Sie uns: „Seit der EM werde ich häufiger erkannt, vor allem in der Heimat.“ Wie ist das heute?
Jule Brand: Es ist wie vor dem Turnier im Sommer. Vereinzelt kommt es vor, dass ich nach einem Bild gefragt werde, aber es ist nie nervig.
Sie sagten auch: „Es ist nicht so wie bei Poppi, die kann ja kaum einen Meter gehen.“
Alexandra Popp (Lacht.): Das hast du gesagt? Also: Seit der EM im vergangenen Jahr war es in manchen Momenten sicherlich extrem, nach der WM im Sommer ist es nicht weniger geworden. Es gibt Momente, in denen man gerne weiter privat unterwegs wäre, und solche Anfragen nerven können. Anderseits ist es genau das, was wir immer wollten.
Wie meinen Sie das?
Popp: Wir wollten die Sichtbarkeit, die wir durch die letzten beiden Turniere bekommen haben. Das ist Teil der Rechnung, auch wenn uns nicht alles daran gefällt. Die Menschen vereinnahmen uns ein Stück weit, es gibt wenig „Bitte“ und „Danke“, es wird an unseren Armen gezogen für ein Foto. Daran muss ich mich gewöhnen, und manchmal lasse ich es mir auch einfach nicht gefallen.
Auch in den letzten Jahrzehnten haben sich viele Menschen für den Frauenfußball interessiert. Sie waren jahrelang das Gesicht des deutschen Frauenfußballs, Birgit Prinz. Sind die Situationen heute mit denen damals zu vergleichen?
Birgit Prinz: Damals – das finde ich wirklich ein schlimmes Wort. So lange ist es noch gar nicht her! (Lacht.) Aber natürlich sind die Situationen miteinander zu vergleichen. Ich denke, die Fans haben mich in ähnlicher Weise beachtet wie heute Poppi. Ich habe das als großen Einschnitt in mein Privatleben empfunden. Und ich bin froh, dass sich das gelegt hat.
Aus sportlicher Sicht wird das Jahr überschattet vom Aus in der Gruppenphase bei der Weltmeisterschaft. Wie fällt für Sie das Fazit zu diesem Turnier aus? Und ist es überhaupt möglich, das vom sportlichen Abschneiden abzugrenzen?
Popp: Grundsätzlich geht das schon. Ich glaube, die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Fans trotzdem ins Stadion kommen und es keinen Bruch gab, was ich für den deutschen Frauenfußball extrem wichtig finde.
Brand: Das sehe ich auch so. Sportlich war es definitiv nicht das, was wir wollten und was wir uns vorgenommen haben. Aber der Blick geht längst wieder nach vorne.

Die Nationalmannschaft hat sich seit der verkorksten WM mehrfach zu Länderspielreisen zusammengefunden. Wie sehr ist das Turnier noch Thema? Oder haben alle versucht, Abstand zu gewinnen?
Popp: Wir stecken ohnehin in keiner einfachen Situation. Direkt nach der WM ging es darum, die Chancen auf das Olympische Turnier 2024 zu wahren. Das ist uns bislang gelungen. Natürlich war die Situation um die erkrankte Bundestrainerin nicht einfach, dadurch hat sich vieles angefühlt, als hänge etwas in der Schwebe.
Birgit Prinz, Sie haben die Nationalspielerinnen über Jahre als Psychologin betreut. Mit welchen Ideen haben Sie Ihre Arbeit nach dem WM-Aus verfolgt?
Prinz: Wie Alex gesagt hat, war vieles im Schwebezustand. Und ich denke, dass dieses Team einen Neustart gebraucht hat. Es ist aber immer möglich, bis zum nächsten Turnier herauszufiltern, in welchen Bereichen sich jeder verbessern kann.
Hilft es Spielerinnen, wenn man aus der eigenen Zeit und von Rückschlägen erzählt?
Prinz: In der Regel erzähle ich nicht davon, weil es ratsam ist, dass Spielerinnen ihre eigenen Erfahrungen machen. Aber natürlich kommen manchmal Spielerinnen zu mir und fragen, wie ich Situationen erlebt habe. Aber ich gehe da nicht zu sehr ins Detail, das lenkt nur von der heutigen Generation und den Problemen der Gegenwart ab.
Stichwort: Generationsübergreifend. Wer von Ihnen spielt eigentlich an der Konsole?
Popp: Ganz selten.
Prinz: Gar nicht. Ich habe es aber ein- oder zweimal ausprobiert, das ist allerdings schon etwas her.
Brand: Ab und zu spiele ich. Ich habe mich noch nicht selbst im Ultimate-Team-Modus gespielt, mittlerweile ist das ja möglich und bin ich gespannt wie sich meine Karte spielen lässt. Ich sehe auch, wie Streamende auf ihre Packs reagieren, in denen es ja jetzt auch Frauen gibt.
Die Aufregung um die Spielerinnen im UItimate Modus war groß. Es gab Kritik, zum Beispiel, dass die Fußballerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen unrealistisch gut seien. Wie wurde das bei Ihnen aufgenommen?
Popp: Es ist kein Thema, das bei uns ständig besprochen wird. Aber wir haben natürlich die Diskussionen in den Sozialen Medien verfolgt.
Und?
Popp: Ich erinnere mich da immer gerne an meinen Bruder. Wenn er an der Konsole gezockt hat, da flogen die Controller in aller Regelmäßigkeit durch das Zimmer. Dieses Spiel fördert halt die Emotionen, aber bei allem Respekt: Es ist immer noch ein Spiel. Ich glaube, die Leute übertreiben da ein wenig, vermischen die reale mit der virtuellen Welt. Natürlich sind wir als Fußballerinnen – die mit allen Vorurteilen konfrontiert worden sind – von der Situation nicht überrumpelt worden. Die Sprüche, wir seien nicht so gut wie unsere männlichen Kollegen, kennen wir ja zur Genüge.
Was viele Fans immer wieder beschäftigt, ist die Frage, welcher Spieler aus historischer Perspektive der Beste war. Pelé oder Messi? Netzer oder Kroos? Also: Wie gut wäre Birgit Prinz heute?
Prinz: An der Konsole lässt sich das auch herausfinden, oder? Ernsthaft: Ich finde die Frage immer unglücklich, weil sich Zeiten eben ändern. Aber man sieht, dass Spielerinnen wie Dzsenifer Marozsán oder Alex Popp, mit denen ich noch gespielt habe, sich auch heute noch behaupten können. Deshalb: Ich hätte meinen Weg schon gemacht, auch wenn der Frauenfußball nochmal athletischer geworden ist, weil viel früher viel professioneller gearbeitet wird.
Gibt es etwas, das Sie heute auf dem Trainingsplatz beeindruckt?
Prinz: Dass die Mädels technisch auf einem sehr hohen Niveau unterwegs sind. (Schaut zu Jule Brand.) Wenn Jule antritt und ihre Gegnerinnen stehen lässt, daran kann ich mich erfreuen. Den technischen Schnickschnack, das Jonglieren, das können sie heute alle besser als wir.
Brand: Danke, das ist ein sehr schönes Gefühl gerade.
Große Turniere gelten stets als Messen des Fußballs, wo unterschiedliche Spielstile zusammenkommen und Neues entdeckt wird. Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Prinz: Was mir auf dem Platz gefallen hat, sind die Passvariationen, wie wir sie bei der WM im spanischen Team gesehen haben, die auch unter Druck noch funktionieren. Das macht Spaß beim Zuschauen!
Brand: Ja, die Spanierinnen haben einen technischen Fußball gezeigt, der vor allem in engen Räumen beeindruckend war. Das haben sie anderen Teams gerade voraus. Für uns heißt es, an dieses Niveau so schnell wie möglich wieder heranzureichen.
——
Dieses Interview entstand im Rahmen des Launch Events von EA SPORTS FC 24.
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUnrK0sdJmq56ZnWK1osCMnqCnnZ5iu6bB0q2Yq6xdnLKjvsCumqGsX26FcXyVb2k%3D