Das Italienerdorf - Wolfsburg + Tifosi = Liebe? 11FREUNDE

December 2024 · 3 minute read

Am Darm­städter Böl­len­falltor hätte es sie fast gegeben, die Pre­miere. Fran­cisco Coppi, Ita­liener und Wolfs­burger, hat es an diesem 26. Sep­tember 1992 in den Kader des Zweit­li­gisten VfL Wolfs­burg geschafft. Im Sommer zuvor durfte er als größtes Fuß­ball­ta­lent der Region einen Pro­fi­ver­trag unter­schreiben. Doch auf seine Ein­wechs­lung wartet Coppi ver­geb­lich, und nach einer Saison ver­lässt er den VfL, ohne ein ein­ziges Pflicht­spiel bestritten zu haben. Heute, nach 16 Jahren, haben die Wolfs­burger wieder Ita­liener im Kader, sogar zwei. Keine Talente aus der Gegend, son­dern wasch­echte Welt­meister aus Palermo. Coppi, ihr Bei­nahe-Vor­gänger, ist mitt­ler­weile 39, Trainer und zweiter Vor­sit­zender des Bezirks­ober­li­gisten Lupo/​Martini. Er ist sich sicher: »Andrea Bar­zagli und Cris­tian Zac­cardo werden echte Ver­stär­kungen für den VfL sein.«

Coppi ist in Wolfs­burg geboren. Sein Verein Lupo/​Martini war der erste Mi-
gran­ten­klub in Deutsch­land, der am regu­lären Spiel­be­trieb teil­nahm. Das war in den 60ern, als Coppis Vater aus Siena nach Wolfs­burg kam, um bei VW Käfer zu bauen. Wie fast alle Ita­liener wohnte er im »Ita­lien­er­dorf«, einer Sied­lung unweit des Stadt­schlosses. Exakt auf diesem Gelände steht heute die Volks­wagen Arena. Dort werden Bar­zagli und Zac­cardo jetzt ihren Dienst tun, Ita­liener in der Stadt der Ita­liener. Vor mehr als 40 Jahren waren ihre Lands­leute in Scharen nach Wolfs­burg gekommen. Viele sind geblieben, haben gehei­ratet und Wur­zeln geschlagen. Was ein­fach war in einer Stadt, die in diesem Jahr gerade mal ihren 70. Geburtstag gefeiert hat. Nie­mand hat hier Wur­zeln, die beson­ders tief gehen.

7000 Ita­liener leben heute offi­ziell in Wolfs­burg. Doch nach den EM-Spielen der Ita­liener hatte Coppi »das Gefühl, dass es min­des­tens 15000 auf den Straßen« waren. Ihnen einen Star aus der alten Heimat zu prä­sen­tieren, hatte Felix Magath im Früh­jahr ver­spro­chen. Und der geschäfts­füh­rende Trainer-Sport­di­rektor des VfL Wolfs­burg hat sein Ver­spre­chen gleich dop­pelt gehalten. »Es würde mich freuen, wenn wegen Bar­zagli und Zac­cardo eine große Euphorie um den VfL ent­steht«, sagt Ste­phan Grühsem, Auf­sichts­rats-Vize des Klubs und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­chef von Volks­wagen. »Eine Kost­probe davon, wie enthu­si­as­tisch die Tifosi unserer Stadt sein können, haben wir ja gesehen, als Luca Toni bei Lupo/​Martini zu Besuch war.« Am Abend vor dem letzten Bun­des­li­ga­gast­spiel des FC Bayern im ver­gan­genen April hatte sich der ita­lie­ni­sche Stür­mer­star bereit­erklärt, bei dem kleinen Verein vor­bei­zu­schauen. Binnen einer Stunde trom­melte der 250-Mit­glieder-Klub mehr als 700 Men­schen zusammen, die Toni stür­misch begrüßten. »Und das«, weiß Coppi, »waren nicht nur Ita­liener.«

Der Fahrer des VfL-Mann­schafts­busses kommt aus Kala­brien

Als Zac­cardo und Bar­zagli tele­fo­nisch ihre ersten Inter­views für die »Wolfs­burger All­ge­meine Zei­tung« gaben, redeten sie wie selbst­ver­ständ­lich in ihrer Hei­mat­sprache. Denn der Wolfs­burger Reporter am anderen Ende ist der Sohn eines Ita­lie­ners aus Sar­di­nien. Sie werden beim Fri­seur ita­lie­nisch spre­chen können, mit Gianni oder Mas­simo. Sie werden in ihrer Nach­bar­schaft Ita­liener treffen oder in den Geschäften der »Piazza Italia«, mitten in der Innen­stadt. Der Fahrer des VfL-Mann­schafts­busses kommt aus Kala­brien. Giu-
seppe ist als Vor­name in Wolfs­burg so häufig wie Horst oder Kevin. In der Stadt ist man über­zeugt: Das mit den Ita­lie­nern wird funk­tio­nieren. Sal­va­tore Baffa, einer der bekann­testen Gas­tro­nomen der Stadt, glaubt sogar: »Es wird die Zuschau­er­zahlen in der VW Arena deut­lich in die Höhe treiben.« Was daran liegt, dass er und seiner Lands­leute sich zwar auch als Wolfs­burger sehen – vor allem aber immer noch als Ita­liener. Fran­cisco Coppi sagt: »Ich habe einen ita­lie­ni­schen Pass, spreche aber besser Deutsch als Ita­lie­nisch. Als was ich mich fühle, merke ich vor allem beim Fuß­ball. Denn richtig mit­fie­bern, das gibt es bei mir nur, wenn Ita­lien spielt.«

Forza Wolfs­burg: Rund 20 Mil­lionen Euro haben VW und Felix Magath in das ita­lie­ni­sche Duo inves­tiert. Die ersten Erträge haben sich sofort ein­ge­stellt. »Mein Paten­onkel Altero in Siena«, erzählt Coppi, »hat mich ange­rufen und ganz auf­ge­regt erzählt, dass er in der ›Gaz­zetta dello Sport‹ zum ersten Mal was über den VfL Wolfs­burg gelesen hat.«

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