
Am Darmstädter Böllenfalltor hätte es sie fast gegeben, die Premiere. Francisco Coppi, Italiener und Wolfsburger, hat es an diesem 26. September 1992 in den Kader des Zweitligisten VfL Wolfsburg geschafft. Im Sommer zuvor durfte er als größtes Fußballtalent der Region einen Profivertrag unterschreiben. Doch auf seine Einwechslung wartet Coppi vergeblich, und nach einer Saison verlässt er den VfL, ohne ein einziges Pflichtspiel bestritten zu haben. Heute, nach 16 Jahren, haben die Wolfsburger wieder Italiener im Kader, sogar zwei. Keine Talente aus der Gegend, sondern waschechte Weltmeister aus Palermo. Coppi, ihr Beinahe-Vorgänger, ist mittlerweile 39, Trainer und zweiter Vorsitzender des Bezirksoberligisten Lupo/Martini. Er ist sich sicher: »Andrea Barzagli und Cristian Zaccardo werden echte Verstärkungen für den VfL sein.«
Coppi ist in Wolfsburg geboren. Sein Verein Lupo/Martini war der erste Mi-
grantenklub in Deutschland, der am regulären Spielbetrieb teilnahm. Das war in den 60ern, als Coppis Vater aus Siena nach Wolfsburg kam, um bei VW Käfer zu bauen. Wie fast alle Italiener wohnte er im »Italienerdorf«, einer Siedlung unweit des Stadtschlosses. Exakt auf diesem Gelände steht heute die Volkswagen Arena. Dort werden Barzagli und Zaccardo jetzt ihren Dienst tun, Italiener in der Stadt der Italiener. Vor mehr als 40 Jahren waren ihre Landsleute in Scharen nach Wolfsburg gekommen. Viele sind geblieben, haben geheiratet und Wurzeln geschlagen. Was einfach war in einer Stadt, die in diesem Jahr gerade mal ihren 70. Geburtstag gefeiert hat. Niemand hat hier Wurzeln, die besonders tief gehen.
7000 Italiener leben heute offiziell in Wolfsburg. Doch nach den EM-Spielen der Italiener hatte Coppi »das Gefühl, dass es mindestens 15000 auf den Straßen« waren. Ihnen einen Star aus der alten Heimat zu präsentieren, hatte Felix Magath im Frühjahr versprochen. Und der geschäftsführende Trainer-Sportdirektor des VfL Wolfsburg hat sein Versprechen gleich doppelt gehalten. »Es würde mich freuen, wenn wegen Barzagli und Zaccardo eine große Euphorie um den VfL entsteht«, sagt Stephan Grühsem, Aufsichtsrats-Vize des Klubs und Kommunikationschef von Volkswagen. »Eine Kostprobe davon, wie enthusiastisch die Tifosi unserer Stadt sein können, haben wir ja gesehen, als Luca Toni bei Lupo/Martini zu Besuch war.« Am Abend vor dem letzten Bundesligagastspiel des FC Bayern im vergangenen April hatte sich der italienische Stürmerstar bereiterklärt, bei dem kleinen Verein vorbeizuschauen. Binnen einer Stunde trommelte der 250-Mitglieder-Klub mehr als 700 Menschen zusammen, die Toni stürmisch begrüßten. »Und das«, weiß Coppi, »waren nicht nur Italiener.«
Der Fahrer des VfL-Mannschaftsbusses kommt aus Kalabrien
Als Zaccardo und Barzagli telefonisch ihre ersten Interviews für die »Wolfsburger Allgemeine Zeitung« gaben, redeten sie wie selbstverständlich in ihrer Heimatsprache. Denn der Wolfsburger Reporter am anderen Ende ist der Sohn eines Italieners aus Sardinien. Sie werden beim Friseur italienisch sprechen können, mit Gianni oder Massimo. Sie werden in ihrer Nachbarschaft Italiener treffen oder in den Geschäften der »Piazza Italia«, mitten in der Innenstadt. Der Fahrer des VfL-Mannschaftsbusses kommt aus Kalabrien. Giu-
seppe ist als Vorname in Wolfsburg so häufig wie Horst oder Kevin. In der Stadt ist man überzeugt: Das mit den Italienern wird funktionieren. Salvatore Baffa, einer der bekanntesten Gastronomen der Stadt, glaubt sogar: »Es wird die Zuschauerzahlen in der VW Arena deutlich in die Höhe treiben.« Was daran liegt, dass er und seiner Landsleute sich zwar auch als Wolfsburger sehen – vor allem aber immer noch als Italiener. Francisco Coppi sagt: »Ich habe einen italienischen Pass, spreche aber besser Deutsch als Italienisch. Als was ich mich fühle, merke ich vor allem beim Fußball. Denn richtig mitfiebern, das gibt es bei mir nur, wenn Italien spielt.«
Forza Wolfsburg: Rund 20 Millionen Euro haben VW und Felix Magath in das italienische Duo investiert. Die ersten Erträge haben sich sofort eingestellt. »Mein Patenonkel Altero in Siena«, erzählt Coppi, »hat mich angerufen und ganz aufgeregt erzählt, dass er in der ›Gazzetta dello Sport‹ zum ersten Mal was über den VfL Wolfsburg gelesen hat.«
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUlsButdOao6Kdnpq%2FpbvRn2ZsbmhrfXQ%3D